1992

Untersuchungen zur phylogenetischen Systematik der Polychaeten-Familie Pilargiidae

Diplomarbeit. Universität Osnabrück, Fachbereich Biologie. 99 pp. 1992 (unveröffentlicht)

Abstraktum. — Die Familie der Pilargiiden wurde anhand von Präparaten und Vergleichen mit der Literatur studiert. Die Eidonomie des Körpers und die Struktur des Pharynx spricht für eine nähere Verwandtschaft mit den Hesioniden. Hierbei wurde die Möglichkeit eines Schwestergruppenverhältnisses zwischen Hesionides (Hesionidae) und den Pilargiiden untersucht. Lichtmikroskopische und elektronenmikroskopische Details des Nervensystems von Hesionides erbrachten den Beweis, dass es sich bei den vorderen, ventral gerichteten tentakelcirrenähnlichen Anhängen um Palpen handelt, die den kurzen dicken Palpen der Pilargiiden homolog sind.

Ausgehend von einem Adelphotaxon Hesionides - Pilargiidae wurde von jeder Pilargiidenart ein Merkmalsmuster aus je 70 Merkmalen erstellt. Diese Merkmale wurden mit denen der Außengruppe verglichen und als apomorph oder plesiomorph bewertet. Systematisch strittige Gattungszuordnungen einzelner Arten wurden diskutiert und gegebenenfalls geändert, um von jeder Gattung einen Grundbauplan erstellen zu können. Talehsapia wird als Taxon in die Gruppe der Pilargiiden einbezogen. Hierfür sprechen die Gestalt des Körpers und die der Parapodien. Die Vertreter der Gruppe Synelmis werden zwei Gruppen zugeordnet, einem Komplex A und einem Komplex B (nach FITZHUGH & WOLF 1990). Synelmis klatti wird in keinen dieser Komplexe gestellt, sondern wieder der monotypischen Gattung Glyphohesione zugeordnet. Eine nähere Verwandtschaft von Antonbruunia mit den Pilargiiden wird ausgeschlossen.

Mit dem Computerprogramm HENNIG86 wurde die Monophylie von Ancistargis geprüft. Es bestätigt sich die von einigen Autoren vermutete Annahme, dass die Arten, die zum Teil in die Gruppe Ancistargis gestellt wurden, der Gattung Ancistrosyllis angehören und bisher eine paraphyletische Gruppe bildeten. Dieses resultiert aus der Vermutung, dass der Verlust der medianen Antenne mehrfach unabhängig auftrat.

Mit Hilfe der Gattungsgrundbaupläne wurde ein Cladogramm der Pilargiiden erstellt. Hierbei wurde der Grundbauplan von Ancistrosyllis geändert, um einen gemeinsamen Ausgang für die zwei und drei Antennen tragenden Arten erklären zu können. Es erweist sich, dass Glyphohesione und Sigambra - verglichen mit den übrigen Pilargiiden - ursprünglicher sind und mehr plesiomorphe Merkmale besitzen. Die übrigen Pilargiiden (Eupilargiiden) zeigen vier Entwicklungslinien:

  1. die Papillen tragenden Ancistrosyllis, Pilargis, Cabira undParacabira,
  2. Otopsis,
  3. die Gruppen Synelmis Komplex A, Synelmis Komplex B und Litocorsa,
  4. die antennenlosen Talehsapia, Parandalia und Loandalia.

Die deutlichen Synapomorphien des Adelphotaxons Synelmis Komplex B und Litocorsa sowie die Tatsache, dass die Vertreter des Komplexes B kein Monophylum bilden, rechtfertigten die Einbeziehung dieser Synelmis-Arten in die Gruppe Litocorsa. Entsprechend wurde die Gattungsdiagnose von Litocorsa geändert. Der Gattung Synelmis gehören die Arten des Synelmis Komplex A an.

Um die Stabilität dieses Cladogramms gegenüber anderen Außengruppen zu demonstrieren, wurden zwei theoretisch mögliche Adelphotaxa (1) Hesionidae - Pilargiidae und (2) Syllidae - Pilargiidae angenommen und verglichen. Es zeigte sich, dass der aus ihnen hervorgehende 'Nelsen-Baum' nur bei Annahme der Syllidae als Außengruppe der Pilargiiden Abweichungen von dem Cladogramm aufweist, das sich aus dem Verhältnis Hesionides - Pilargiidae ergibt. Hierbei bleibt ungeklärt, ob Glyphohesione oder Sigambra die ursprünglicheren Merkmale besitzt und in welcher Weise die vier Entwicklungslinien der Eupilargiiden miteinander verwandt sind. Die Entwicklungslinien setzen sich jedoch aus den gleichen Taxa zusammen, die sich bei Annahme von Hesionides als Außengruppe der Pilargiiden herleiten.

Die begründete Annahme, dass Pilargiiden abgeleitete Hesioniden sind, macht es sinnvoll, die Pilargiiden als Unterfamilie Pilarginae innerhalb der Familie Hesionidae zu führen. Die Microphthalminae müssen als Unterfamilie der Hesionidae eliminiert werden - Microphthalmus und Hesionides werden zu den "Hesioninae" gestellt.